Gelesen: „Die Rückkehr der Diener“ von Christoph Bartmann

Ich bin extrem skeptisch, dass Shareconomy oder der Plattform-Kapitalismus etwas positives für uns hervorbringen werden. Gegen Teilen (share) ist natürlich nichts zu sagen und Konzepte, die nachbarschaftliche Hilfe fördern, sind zu begrüßen. Aber Geschäftsmodelle, die auf Ausbeutung und Benachteiligung anderer basieren, will ich nicht tolerieren oder akzeptieren. Dazu gehören die Ansätze von Firmen wie Uber oder Foodera, die nur funktionieren können, wenn die Arbeit für sehr wenig Geld und auf eigenes Risiko erbracht wird.

Die Geschichte der Diener

Mit Blick auf die Problematik der Entwicklung von immer mehr Angeboten in diese Richtung, habe ich das Buch „Die Rückkehr der Diener“ von Christoph Bartmann gelesen. Es trägt den Untertitel „Das neue Bürgertum und sein Personal“. Darin wird zunehmende Lust an Inanspruchnahme von Dienstleistungen beleuchtet. Bartmann, der in New York gelebt und gearbeitet hat, hat diese Entwicklungen dort beobachten können. Deutschland ist nicht New York und daher ist die Verbreitung und Intensität eine andere, aber die Tendenz ist auch hier sichtbar.

Bartmann spannt den Bogen wesentlich weiter und gibt einen Überblick über die Entwicklung von Dienerschaft insgesamt. Sie ist nämlich nicht nur von dem Wunsch abhängig, bedient zu werden. Sie ist ebenso abhängig von der Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl von Dienern und Dienerinnen. So kam es durch die zwei Weltkriege zu einer starken Verknappung von Personal in Europa, die dazu führten, dass die Diener quasi komplett verschwanden. Ein Grund dafür war auch, dass es durch das starke Wirtschaftswachstum genügend andere, attraktivere Arbeit gab.

Neue Diener

Durch die Öffnung des Ostens seit 1989 in Europa und der Zuwanderung von Südamerikanern in den USA stehen seit einigen Jahren jedoch wieder genügend Bereitwillige für die Arbeit zu niedrigem Lohn zur Verfügung. Außerdem erlaubt das Internet eine Verteilung und Organisation der Dienstleistungen auf viele Abnehmer zu günstigeren Preisen. So konnte sich eine neue Ära der Dienerschaft entwickeln. In Deutschland sind dies natürlich Putzfrauen und Pflegekräfte sowie nun Handwerker, Lieferanten und andere Boten.

Dabei kann eine Tätigkeit als Dienstleister auch positive Seiten haben oder zumindest positiv empfunden werden: sei es durch größere Flexibilität oder Unabhängigkeit, eigener Chef sein oder niedrigere Eintrittsschwelle. Gemein ist diesen Tätigkeiten aber, dass sie primär als Zubrot taugen, wobei nicht immer klar ist, worin die Grundsicherung bestehen mag. Bei Putzfrauen kann das der Job des Mannes sein oder beim Ausliefern von Essen die Aufbesserung während des Studiums. Die Gehaltsstrukturen geben jedoch nie genug her, um davon eine Familie ernähren zu können.

Interessant für Europa oder Deutschland wird es sein, die Entwicklungen zu beobachten, wenn die Verfügbarkeit von billigen Arbeitskräften deutlich zurückgeht. Die Bevölkerungsentwicklung in den östlichen Ländern läßt  einen steten Fluss von dort nicht vermuten. Außerdem steigt dort das Gehaltsniveau und somit sinkt die Attraktivität von Arbeit im Ausland. Ob die Einwanderer oder anderer Zuzug dies kompensieren können, ist eher fraglich.

Roboter als Diener

Bleibt die Flucht in noch mehr Technologie, also dem Roboter als dem zukünftigen Diener. Hier klafft jedoch eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Die Fortschritte sind zwar beachtlich, und kognitive Systeme in der Lage, viele Tätigkeiten zu übernehmen, die heute von Menschen gemacht werden. Leider gehören die meisten Tätigkeiten der Dienerschaft nicht dazu. So werden eher Bankberater und Versicherungsvertreter von den neuen Maschinen bedroht als die Putzfrauen. Zwar sind wir zu großen Kompromissen bereit, was die Qualität von Dienstleistungen angeht, aber eine Absenkung auf Roboterniveau ist aktuell nicht vorstellbar. Ein gutes Beispiel dafür sind Staubsaugerroboter. Diese reinigen oberflächlich betrachtet den Boden, aber an ein gründliches Staubsaugen kommen sie nicht heran und ersetzen somit keine Putzfrau.

Es stellt sich die Frage, wie die Zukunft der DienerInnen und Dienstleister aussehen wird, wenn die Verfügbarkeit von Arbeitskräften nicht ausreicht. Vielleicht müssen wir also doch weiter selbst ran, und uns die Hände an den häßlichen Notwendigkeiten schmutzig machen.

Ingesamt ein interessantes Buch mit vielen Informationen zur neuen Servicegesellschaft und ihren Bedingungen. An manchen Stellen ist es leider etwas wiederholend und langatmig. Lesenswert jedoch auf jeden Fall. Gelesen habe ich es mal wieder über die Onleihe.

[ergänzt 31.10.2016] In der Zeit wurde das Buch nun auch besprochen. Dort wird hervorgehoben, dass die Dienstleister in der Shareconomy eben keine Unternehmer, sondern eben moderne Diener sind. Es entlastet die Nutzer dieser Dienstleistungen moralisch, sich die Diener als freie Unternehmer vorzustellen.

Gladio – gelesen: Ausbruch von Dominique Manotti

KaktusVon Gladio hatte ich das erste mal im Kontext vom Attentat auf das Oktoberfest in München gehört, aber nicht wirklich wahrgenommen, was das genau ist. Der Krimi Ausbruch von Dominique Manotti spielt in Italien und Frankreich und hat auf den ersten Blick nichts mit Gladio zu tun. Der Kleinverbrecher Filippo bricht gemeinsam mit einem linken Terroristen aus dem Gefängnis aus. Geplant war der Ausbruch nur für den anderen, den wichtigen im Sinne der Sache, aber durch Zufall kann Filippo mit entkommen.

Der Kleinverbrecher wird recht bald abgesetzt und ist auf sich allein gestellt, während der Terrorist mit den Seinen flieht. Filippo erhält aber noch eine Kontaktadresse von Exil-Linken in Frankreich, bevor sie sich trennen. Der Terrorist wird bei einem Banküberfall erschossen und der immer noch umherirrende Filippo erfährt davon aus der Zeitung. Da er nicht weiß, wo er hin soll, nimmt er in Frankreich Kontakt auf.

Aus einer Laune heraus erfindet er eine Geschichte über sich und den Terroristen. Er gerät damit zwischen die Exil-Linken, die Polizei und dem Geheimdienst. Und hier ist die Verbindung zu Gladio. Die Geheimorganisation hat durch Attentate versucht, die Bevölkerung in ihrem Sinne zu manipulieren. Ob das Oktoberfestattentat ebenfalls auf das Konto einer deutschen Gladio geht, ist nicht erwiesen, aber alleine die Vorstellung ist gruselig.

Der Krimi wird vor allem durch diesen historischen Bezug spannend. Das Verwirrspiel zwischen Staat, den politischen Kräften und den Geheimdiensten lädt zur Beschäftigung mit diesem Thema ein.

Den lesenswerten Krimi habe ich über Onleihe gelesen.

Gelesen: Wulf Dorn – Kalte Stille und Dunkler Wahn

In der Regel bin ich von deutschen Krimiautoren enttäuscht, aber Wulf Dorn hat mich überrascht. Ich kannte ihn bisher nicht, obwohl er schon einige Bücher geschrieben hat. Entdeckt habe ich ihn in der Krimikiste.

Als erstes habe ich Kalte Stille gelesen. Der Psychiater Jan wird mit dem Jahre zurück liegenden Verschwinden seines kleinen Bruders konfrontiert, als er wieder in seine Heimatstadt zurück kehrt. Jan arbeitet in der Psychiatrie. Dort hat auch Wulf Dorn gearbeitet, bevor er sich auf das Schreiben konzentrierte. Er kennt sich also mit der Psyche des Menschen aus.

Jan kann nicht loslassen, weil es keine Spur von seinem Bruder gegeben hat. Er ist fast nicht in der Lage, seinen Beruf auszuüben, vor allem, weil andere Ereignisse in der Psychiatrie ihn zusätzlich irritieren. Er versucht die Hintergründe aufzuspüren und entdeckt Verbindungen zu seiner eigenen Vergangenheit.

Das ist sehr spannend erzählt und machte Spaß zu lesen. Daher habe ich im Anschluss direkt den nächsten Wulf Dorn Krimi gelesen: Dunkler Wahn. Der ist noch besser. Wieder ist Jan die Hauptperson, aber diesmal ist er direkter betroffen. Eine Frau scheint ihm nachzustellen, eine Stalkerin.

Nachdem sich die Geschichte mit der Stalkerin entfaltete, war ich kurz davor aufzuhören, weil ich das nicht lesen mochte. Die Erzählung ist von Dorn jedoch so spannend geschrieben, dass ich nicht aufhören konnte. Bis kurz vor Schluss ist die Identität der Stalkerin nicht klar und das Ende ist überraschend. Spannend und gut ist dieses Buch.

Gelesen habe ich beide wieder einmal über Onleihe.