Gelesen – Hanns-Josef Ortheil: Das Kind, das nicht fragte

Bisher kannte ich Hanns-Josef Ortheil von einem Rom Führer. Wir waren schon mehr als 15 mal in Rom und daher sind wir immer auf der Suche nach spannenden Informationen über Rom. Der Führer „Rom. Eine Ekstase“ von Hanns-Josef Ortheil ist da eine wahre Fundgrube. Abseits der ausgetretenen Pfade, die wir schon alle kennen, zeigte Ortheil uns neue Plätze und erzählte uns interessante römische Geschichten.

SizilienSo war ich gespannt auf „Das Kind, das nicht fragte“. Sein Roman wird auf dem Buchrücken als „sonnüberflutet“ bezeichnet. Dem kann ich nicht so ganz folgen. Das Kind Benjamin, das nicht fragte und der Protagonist, ein Ethnologe auf Forschungsreise in Sizilien, sind ein und die selbe Person. Die Hemmungen, die in der Kindheit von Benjamin ihre Ursache haben, bestimmen über weite Strecken den Roman. Das ist eher nicht sonnig. Trotzdem war mir Benjamin häufig sympathisch. Er kommt aus Köln, mag keine Quiz- und Kochsendungen, und er sagt, „welcher vernünftige Mensch hasst keine Frühstücksbüffets“. Ich bin auch aus Köln und Büffets sowie Kochsendungen sind mir ein Gräuel. Daher die Sympathie. Weiterlesen

Gelesen: Das Spinoza-Problem

Das Spinoza-Problem von Irvin D. Yalom ist ein Roman, der sich zwischen dem Philosophen Spinoza und dem Nazi Alfred Rosenberg hin und her bewegt. Der Verstoß von Spinoza aus der jüdischen Gemeinde und sein Beharren auf seiner Sicht auf Gott bilden einen Teil des Buches.

Obwohl ich einmal Philosopie studiert habe, ist mir das Gedankengut Spinozas nicht geläufig gewesen. Grob kann man sagen, dass er Gott mit Natur, oder Substanz, gleichsetzt. Sich Gott menschenähnlich vorzustellen liegt ihm total fern. So sind für ihn die Bibel und alle daraus abgeleiteten Regeln und Bräuche nicht Gottes Werk sondern von Menschen gemacht, um die (Religions-)Gemeinschaft zu bilden und zu erhalten. Er lehnt die strikte Einhaltung der Regeln und Bräuche ab, weil sie mit einem Gott gefälligen Leben nichts zu tun haben („Gott hat besseres zu tun, als die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren“). Heute kommt uns das nicht mehr besonders radikal oder revolutionär vor, aber im 17. Jahrhundert war das selbst für die liberale jüdische Gemeinde in Amsterdam zu viel. Seine Bücher erschienen unter Pseudonym und wurden sowohl von der jüdischen Gemeinde als auch von der katholischen Kirche wegen Ketzerei verboten.

Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Nazi-Ideologen Rosenberg. Dieser ist vollkommen verblendet von dem Gedanken der Rassenreinheit. Diese Verblendung entsteht schon in seiner Jugend bei der Lektüre von Chamberlains Rassentheorie. Von seinen Lehrern bereits in der Schule mit der Tatsache konfrontiert, dass der grosse deutsche Dichter Goethe, den Rosenberg sehr verehrte, ein leidenschaftlicher Anhänger Spinozas war, entsteht bei Rosenberg das Spinoza-Problem: Wie kann ein Deutscher etwas an den Ideen eines Juden gut finden? Dieser Konflikt kann natürlich nicht rational aufgelöst werden und gifpelt in der Vermutung, dass Spinoza seine Ideen sicher bei einem Deutschen reinen Blutes abgeschrieben haben muss. Als Verantwortlicher „für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“ läßt er daher die Bibliothek von Spinoza aus dem Museum in Holland stehlen.

Dieser Diebstahl ist historisch verbrieft und der Ausgangspunkt für Yaloms Entwicklung dieses Romans. Die sich darauf beziehende Geschichte hat sich natürlich nicht so zugetragen. Wie in allen historischen Romanen werden die bekannten historischen Fakten mit erfundenen Details zu einer Handlung kombiniert. Der Roman lebt vielmehr von der Gegenüberstellung zweier Gedankenwelten: die totale Freiheit des Geistes auf der einen Seite und irrationaler, unbeirrbarer Wahnsinn und Verblendung auf der anderen. Ich gebe eine klare Leseempfehlung für dieses Buch.

Was habe ich neues gelernt: Neben der Auffrischung der Gedanken Spinozas fand ich vor allem interessant, dass ein Freund Rosenbergs als Psychiater im Krankenhaus arbeitete und dort Soldaten wegen posttraumatischer Belastungsstörung behandelte. Die Behandlung von psychischen Folgen eines Traumas zur damaligen Zeit (nach dem 1. Weltkrieg) war mir neu. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es eine historische oder erfundene Tatsache ist.

Gelesen: Open von Andre Agassi

Als Jugendlicher habe ich selbst Tennis gespielt. Mein favorisierter Tennisspieler war damals Björn Borg. Bei seinen stundenlangen Kämpfen haben wir im Tennisclub mitgefiebert und die gleichen Sachen getragen wie er. Björn Borg war Stil bestimmend damals. 5 mal hat er hintereinander Wimbledon gewonnen. Viel später erst waren Boris Becker und Steffi Graf dominierend für das Tennisgeschehen in Deutschland. Andre Agassi war zu der Zeit bei mir noch nicht auf dem Radar. Borg ist 10 Jahre älter als ich, Agassi 5 Jahre jünger. Ich habe Agassi als Kind der Bollettieri Akademie wahrgenommen und ihn als verrückten Jugendlichen in Erinnerung.  Das Selbstporträt von Andre Agassi mit dem Titel Open habe ich von meinem Neffen zum Geburtstag bekommen und war ganz gespannt auf dieses Buch.

Profisport ist sicher immer hart, aber das Buch macht das ganz brutal deutlich. Gerade im Tennis, wo der Spieler alleine auf dem Platz steht und nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen sich selbst kämpft, ist der Druck extrem groß. Agassi beschreibt seinen Werdegang, seine Erfolge, seine Niederlagen und welche Entwicklungen er dabei durchlaufen hat. Die Qualen als Kind, mit einem Vater, der unbedingt einen Tennisprofi aus ihm machen wollte, müssen schlimm gewesen sein. Die Spieler sind so jung, wenn sie aufsteigen, und das Rampenlicht, in dem sie stehen, ist gerade in dem Moment extrem grell, in dem sie in einer wichtigen Persönlichkeitsentwicklung stecken.

Andre Agassi hatte wohl große Schwierigkeiten, seine Leistungen und seine Entwicklungen in Einklang zu bringen. Sein wildes Äußeres steht im Gegensatz zu seiner inneren Unsicherheit. Ich habe bis zum Lesen des Buches nicht gewusst, dass seinen Löwenmähne zum Teil ein Toupet war. Er beschreibt, dass er neben dem Kampf mit dem Gegner auch den Kampf mit dem Toupet geführt hat. Es durfte beim Spiel nicht verrutschen, weil Agassi auf keinen Fall öffentlich machen wollte, dass ihm die Haare ausgehen. Erst später hat er sich zu einem Kurzhaarschnitt durchgerungen. Heute durchaus ein modisches Statement, war das in den 90ern anders.

Agassi ist nach ersten Erfolgen abgestürzt. Seine Ehe mit Brooke Shields beschreibt er im Buch als einen Fehler. Selbst Drogenkonsum gehörte dazu. Er sank so tief, dass er wieder von vorne anfangen musste, und kleine Challenger Turniere spielte. Er kam aber zurück und schrieb dann Tennisgeschichte. Er setzte alles daran, Steffi Graf kennen zu lernen und heiratete sie schließlich. Eine Beziehung, die ihm Halt für den Rest seiner Karriere gegeben hat.

Agassis Autobiographie liest sich spannend. Gemeinsam mit Pulitzer Preis Gewinner Moehringer hat Agassi eine interessante Geschichte über seine Tenniskarriere verfasst, die ich gerne empfehle.

Ich habe meinen alten Tennisschläger von damals noch und ihn für den Blog rausgekramt: ein Donnay Björn Borg. Auch Andre Agassi hat einmal für Donnay gespielt. Im Buch wird aber erzählt, dass der Schläger so schlecht war, dass sie seinen vorherigen Schläger (einen Prince) so umlackiert haben, dass er wie ein Donnay aussah. Donnay hat die Wende vom Holz- zum Kunststoffschläger verpasst und ist 1988 Pleite gegangen.