Die vernünftige Entwicklung der Digitalen Gesellschaft ist mir sehr wichtig und daher habe ich nun auch das Buch „Sie wissen alles“ von Yvonne Hofstetter gelesen. Aufklärung ist ein wesentlicher Bestandteil, die Gesellschaft überhaupt weiterentwickeln zu können. Der Titel ist zwar reisserisch, aber trotzdem versprach er, genau an dieser Aufklärung zu arbeiten. Im Prinzip stimmt das auch, aber Hofstetter übertreibt in meinen Augen mit der Panikmache und Paranoia.
Das Buch spannt den Bogen vom Nutzen von Big Data, Algorithmen und künstlicher Intelligenz im Militär über automatisierten und algorithmischen Handel bis zum Sammeln von Daten großer Unternehmen wie Facebook und Google. Das ist an sich nicht schlecht, aber leider versucht Hofstetter, Angst und Paranoia permanent zu schüren, indem sie immer wieder entsprechende Aussagen einstreut. Das ist wahrscheinlich ein stilistisches Mittel, das den Leser/die Leserin bei der Stange halten soll. Mich hat es genervt und beinahe dazu geführt, dass ich das Buch nicht bis zu Ende gelesen hätte.
Die historischen Betrachtungen sind jedoch wichtig, weil die Fehler, die dort bereits passiert sind (ein falsches Flugzeug abgeschossen, Börsencrash), zeigen, was bei neuen Feldern (Gesundheitssystem) passieren könnte.
Richtig interessant wird es aber im letzten Teil des Buches, bei dem unser Menschenbild und das Verhältnis von Mensch, Arbeit und Daten analysiert wird. Für Hofstetter haben die persönlichen Daten genauso wie die Arbeit schöpferischen Wert. Somit sind die persönlichen Daten integraler Bestandteil unserer Existenz und nicht von uns trennbar. Sie sind durch die enge Verbindung mit unserer Würde keine bloßen Objekte oder Ware und daher auf besondere Art und Weise zu schützen. Und wie unsere Arbeit haben auch unsere Daten einen Wert, den wir einfordern dürfen. Der Begriff persönliche Daten ist dabei sehr weit gefasst und umspannt nicht nur Name, Geburtsdaten etc. sondern auch alle durch Sensoren über uns ermittelte Daten.
Auch die Betrachtungen zu menschlicher Arbeit im Vergleich zu intelligenten Maschinen gefallen mir. Natürlich sind Maschinen in vielen Fällen dem Menschen überlegen und das in Zukunft auch immer mehr bei intellektuellen Tätigkeiten. Aber sie werden dadurch nicht Subjekt (wie der Mensch) sondern bleiben Objekt, das uns dient. Was uns von den Maschinen unterscheidet ist das Gewissen, Verantwortungsbewusstsein und die Fähigkeit zum moralischen Handeln. Dies muss immer wieder klargestellt werden.
Zum Schluss des Buches skizziert sie 10 Aufgaben, denen wir uns stellen müssen. In ihrem Vortrag auf der re:publica 2014 hat sie 3 davon beschrieben. Leider nimmt die Behandlung dieser Aufgaben einen relativ kleinen Teil des Buches ein.
Auf Youtube findet sich auch ein gutes Interview mit ihr. In ihrem Artikel in Der Zeit zu künstlicher Intelligenz und Algorithmen fordert sie mehr Transparenz von maschineller Intelligenz. Eine Forderung, die ich unterstütze und die ich auch schon bei Viktor Mayer-Schönberger in seinem Big Data Buch gelesen habe.
Auch wenn das Buch mir stilistisch nicht so sehr gefällt, ist der letzte Teil so wertvoll, dass sich das Lesen von „Sie wissen alles“ lohnt.