#DigitalLeben: Grundsatzprogramm für die digitale Gesellschaft

In 2014 hatte ich mich am Prozess #DigitalLeben beteiligt und mir Anfang 2015 vorgenommen, aktiver an der Gestaltung der digitalen Gesellschaft mitzuarbeiten. #DigitalLeben hatte den Zweck, ein Grundsatzprogramm zur digitalen Gesellschaft zu erarbeiten. Dies wurde Ende letzten Jahres tatsächlich vorgelegt und beim Parteitag der SPD im Dezember verabschiedet.

Nun muß ich feststellen, dass ich leider nicht so aktiv war, wie ich das vorhatte. Die Diskussion über den Entwurf des Grundsatzprogramms habe ich überhaupt nicht mitbekommen. Das ist an die Mitglieder nicht gut kommuniziert worden. Auf der Debatten-Seite zu #DigitalLeben konnte abschnittweise kommentiert werden. Im Rückblick lassen sich dort die Diskussionen noch verfolgen. Es sind einige Hundert Kommentare zusammen gekommen. Vielleicht hat man diese Plattform nicht breit angepriesen, damit sie nicht in einer Kommentarflut ertrinkt.

Wichtige Punkte für die digitale Gesellschaft

Das Grundsatzprogramm ist mit mehr als 40 Seiten so umfangreich, dass man es nicht mal so einfach überfliegen kann. Die für mich wichtigen Punkte hebe ich daher mal hervor (jeweils mit Zeilenangabe):

  • Eine digitale Gesellschaft muss inklusiv sein, also niemanden ausschließen [Zeile 106ff]. Sie ist nicht auf Eliten ausgerichtet, die Vorteile für sich daraus ziehen, sondern muss alle mitnehmen. Die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft ist nicht zu unterschätzen. Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, offline sind, müssen trotzdem Zugang zu den wesentlichen Einrichtungen erhalten.
  • Flexibilität, die die Bedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausbalanciert, muss Ziel von Arbeit in der digitalen Gesellschaft sein [Zeile 164ff]. Dazu ist ein neuer Begriff von Arbeit und Arbeitszeit nötig. Ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit soll bestehen, jedoch nicht im Gegensatz zur Flexibilität stehen. Simple technische Maßnahmen, wie beispielsweise keine E-Mails zwischen 20h und 6h, sind da nicht hilfreich [Zeile 227ff]. Der Rechtsanspruch auf einen frei wählbaren Arbeitsplatz (Zuhause, Café) für eine bestimmten Zeitraum geht mir aber doch zu weit [Zeile 220ff].
  • Die Sharing Economy und der damit verbundene Plattform-Kapitalismus birgt Risiken, die durch einen entsprechenden Rahmen gemindert werden müssen [Zeile 59ff, 414ff]. Geschäftsmodelle, die Arbeit prekär werden lassen, müssen verhindert werden. Zu diesem Thema gefällt mir auch der Artikel der FAZ: Sharing Economy und Europa.
  • Bildung spielt in einer Wissensgesellschaft eine bedeutende Rolle. Die technische Basis einer digitalen Gesellschaft, die Informationstechnologie und Algorithmen, sollen daher verstärkt vermittelt werden [Zeile 259f, 642ff]. Weiterbildung sollte bereits im Interesse der Arbeitgeber sein und gefördert werden. Neben dem Recht auf Bildung halte ich aber auch eine Pflicht zur Bildung für geboten. Stetiges Lernen muss den Wandel begleiten [Zeile 686f]. Neben den technischen Fertigkeiten muß ein reflektierter Umgang mit den neuen Möglichkeiten vermittelt und eine Stärkung der Medien- und Informationskompetenz erreicht werden [Zeile 606ff, 633ff].
  • Den Werkstoff der digitalen Revolution bilden die Daten [Zeile 440ff, 554ff]. Die Potentiale, die sich aus der Nutzung der Daten ergeben, sollen genutzt werden können. Dabei ist der Schutz der Daten ebenso wichtig und zwischen beidem ist eine Balance zu finden. Neue Instrumente zur informationellen Selbstbestimmung und Datenautonomie sollen entwickelt werden [Zeile 576ff] und Transparenz in die gespeicherten Daten gewährleistet sein [Zeile 1783ff]. Datensparsamkeit alleine würde die Chancen, die in der Nutzung von Daten liegen, allerdings gefährden [Zeile 1708ff]. Den Prinzipien „Privacy-by-Design“ und „Security-by-Design“ kommen entscheidende Bedeutung zu [Zeile 1741ff].
  • Flächendeckend sollen leistungsfähige Internetverbindungen geschaffen werden [Zeile 457f, 1262ff]. Dabei ist Netzneutralität zu wahren und die WLAN Störerhaftung abzuschaffen [Zeile 862ff]. Offene Standards für die Vernetzung sollen eine Beteiligung aller Unternehmen und Menschen sicherstellen [Zeile 1241ff].
  • Start-ups sollen gefördert werden, um Potentiale auszuschöpfen und wettbewerbsfähig zu bleiben [Zeile 516ff]. Gerade aus unserem Fokus auf digitale Souveränität soll eine Marktchance werden [Zeile 560ff].
  • Transparenz und OpenData sollen Vertrauen in die Entscheidungsprozesse stärken und Korruption reduzieren [Zeile 882ff]. Dabei soll auch eine zeit- und ortsunabhängige Beteiligung möglich sein. E-Government soll die Verwaltung flexibilisieren. OpenData mit seinen gesellschaftlichen und ökonomischen Potentialen soll gefördert und auf die Privatwirtschaft ausgedehnt werden [Zeile 1378ff, 1432ff, 1764ff].

Schwierige Punkte im Grundsatzprogramm

  • Der Schutz vor unerwünschten Inhalten (Sexismus, Gewalt, Extremismus, Rassismus, etc.) und die Bekämpfung dieser ist sicher wichtig. Ich halte aber nichts von technischen Schutzmaßnahmen und Kennzeichnungen [Zeile 256f, 774ff]. Zensur ist keine Alternative.
  • Das Thema Überwachung wird nur am Rande behandelt [Zeile 1478ff]. Zwar wird die Verschlüsselung von digitaler Kommunikation gefordert und gefördert [Zeile 997ff, 1879ff, 1914ff]. Wie das aber mit dem Wunsch nach Cyberaufklärung zusammenpasst, wird nicht diskutiert [Zeile 962ff]. Nur auf die bösen Konzerne zu schimpfen, reicht nicht aus [Zeile 1511ff]. Ebenso ist es kein Grund für die Vorratsdatenspeicherung, dass Telekommunikationskonzerne Daten zur Abrechnung speichern [Zeile 1534ff].
  • Es gibt mehrere Themen, bei denen Schutz gefordert wird (so beispielsweise die kleine Buchhandlung oder journalistisch-redaktionelle Angebote) [Zeile 1157f, 51f, 1056f]. Das sehe ich grundsätzlich kritisch, weil ich eher für eine inhaltliche Weiterentwicklung bin. Protektionismus wird da nicht helfen.
  • Zwar wird Netzneutralität gefordert [Zeile 1200ff], aber ein Netzwerkmanagement nicht ausgeschlossen [Zeile 1209, Zeile 1302f]. Meiner Meinung nach ein Widerspruch.
  • Zwar ist die Nutzung von digitalen Technologien für Umweltschutz ein Thema hinsichtlich Smart X (für X= Energie, City, Verkehr) [Zeile 1402ff, 1363ff], aber trotzdem sollen Geräte verstärkt ausgeschaltet werden, statt nur auf stand-by gehen [Zeile 1420f]. Wie soll das zusammen passen?
  • Zum einen wird auf die Chancen der Nutzung von Daten hingewiesen und festgestellt, dass durch Datensparsamkeit  diese Chancen nicht genutzt werden können. Trotzdem hat die Zweckbestimmung der Daten Eingang in das Papier gefunden [Zeile 1822f].

Themen über das Grundsatzprogramm hinaus

  • Die heutige starke Konzentration auf die Besteuerung von Arbeit ist in einer digitalisierten Welt nicht mehr zeitgemäß. Die Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen muss daher verstärkt geführt werden. Selbst in der Wirtschaft wird das Thema bereits angesprochen. Zuletzt prominent vom Chef der Telekom. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse der Blogparade von SteadyNews dazu.
  • Open Source wird im Grundsatzprogramm nicht erwähnt. Gerade im Bereich Verschlüsselung und Sicherheit wäre Open Source jedoch wichtig.

Ausblick

An vielen Stellen ist das Ringen um einen Kompromiss spürbar. Die breite Beteiligung bei der Entstehung hinterläßt natürlich Spuren. Trotzdem ist #DigitalLeben und dieses Papier ein wichtiger Schritt. Was macht die SPD nun mit dem Grundsatzprogramm zur digitalen Gesellschaft? Es dient als Grundlage für weiterführende Diskussionen und Vorlage für das Programm der nächsten Bundestagswahl. Die Entscheidungen in der Regierung müssen sich an diesem Grundsatzprogramm messen und es wird deutlicher, wo Kompromisse gemacht wurden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert