MucGov17 – Barcamp zur digitalen Stadt in München

Gestern war ich bei #MucGov17, dem Barcamp zur digitalen Stadt in München. Die Stadt München hat dieses Barcamp im neuen Bildungszentrum Einstein 28 veranstaltet. Primär nutzt die Volkshochschule München das Bildungszentrum. Die Räume dort sind sehr gut ausgestattet. Es waren 100 Personen angemeldet, aber geschätzt waren etwas weniger wirklich dabei. Von denen waren ca. 50% das erste mal bei einem Barcamp. Ungefähr 20 Sessions wurden angeboten und gehalten. Über 4 möchte ich kurz berichten.

Digitale Barrierefreiheit

Johannes, Annett und Stefan haben das Thema digitale Barrierefreiheit vorgestellt. Eine interessante Session mit relativ viel Konsens und daher wenig Diskussion. Ich habe dabei mehreres gelernt:

  • Die mobilen Devices (Smartphones, Tablets) sind für die Barrierefreiheit ein großer Fortschritt. Obwohl bei deren Einführung zuerst Vorbehalte diesbezüglich da waren, ist die Unterstützung von Apple (iOS) und Android mittlerweile sehr gut. Webseiten und Apps werden somit schon fast  barrierefrei, wenn man bei der Entwicklung die Styleguides berücksichtigt.
  • Am Inhalt können die Styleguides natürlich nichts ändern. Aber sowieso ist es ratsam, einfache Sprachkonstrukte zu verwenden. Die einfache oder leichte Sprache ist eine extreme Möglichkeit, die jedoch umstritten ist.
  • Barrieren gibt es viele. Viel mehr, als ich zuerst angenommen habe. Eingeschränkt ist man auch im Alter oder, wenn man abgelenkt ist (beim Autofahren), nur eine Hand frei hat (Kind auf dem Arm) oder keine Hand frei hat (beim Kochen). Soll eine Anwendung oder App dann trotzdem verwendet werden, hilft die Barrierefreiheit enorm.

Öffnungsprozesse, Coworking und Makerspaces

In dieser Session sind wir erst nicht auf einen grünen Zweig gekommen. Die Gruppe war auch sehr groß. Eine Trennung in zwei Gruppen schaffte ein wenig Abhilfe. Eine Teilgruppe hat sich dann mit den Prozessen in der Verwaltung beschäftigt. Ich bin beim Coworking geblieben. Wir haben unseren Stand zu den Themen ausgetauscht und ich habe wieder einiges neues gelernt:

  • Es gibt in München mehrere Makespaces. Da muss ich unbedingt mal schauen, welche das sind.
  • Das Haus der Eigenarbeit kannte ich bisher nicht. Es existiert schon seit 1987, als 30 Jahre. Es bietet einen Raum für eigene Projekte und hilft beim Selbermachen mit Werkstätten und Werkzeug. Mit Aktionen wie dem Repair-Cafe liegen sie voll im Trend.
  • Das Projekt Augenhöhe – gemeinsames Lernen und Gestalten einer neuen Kultur der Zusammenarbeit – interessiert mich schon lange. Ich habe erfahren, dass es auch einen Münchner Stammtisch dazu gibt. Da muss ich mal vorbeischauen.

SmarterTogether

In München gibt es eine ganze Reihe von Webseiten und Apps, die alle einzelne Dienstleistungen oder Informationen anbieten. Zu nennen wäre da beispielsweise muenchen.de, MVG Fahrinfo, MVG more, AWM, isar-map.de und zamperl-app.de. Das Projekt SmarterTogether hat zum Ziel, eine neue Plattform zu entwickeln, die die Dienstleistungen an einem Ort zusammen führt: in der City-App.

Die Diskussionen dazu waren kontrovers. Die Aufgabe erschien den meisten als zu groß. Da ist das Risiko eines Scheiterns nicht von der Hand zu weisen. So wurde alternativ vorgeschlagen, dass die zugrunde liegenden Daten als OpenData zur Verfügung gestellt werden. Auf Basis dieser Daten könnten dann Anwendungen von den Bürgern selbst entwickelt werden. Immerhin ist es wohl so, dass das SmarterTogether Projekt die Öffnung der Daten ebenfalls als Ziel hat, damit diese in der App verwendet werden können. Da können wir aus OpenData Perspektive hoffen.

Das SmarterTogether Projekt hat über die App hinaus noch weitere Ziele. So sollen Mobilität, Energie und Daten zusammen gebracht werden. Im Modell-Quartier Neuaubing-Westkreuz/Freiham wird experimentiert, wie die digitale, innovative, smarte, Stadt der Zukunft aussehen könnte.

Leichterer Zugang zur Verwaltung mit ChatBots

Über ChatBots habe ich eine Session gemacht. Dabei habe ich den WienBot vorgestellt. Der WienBot ist ein prototypisches Projekt der Stadt Wien, welches Informationen zur Stadt über den Facebook Messenger zur Verfügung stellt. Eigentlich wollte ich auch zeigen, wie ein ChatBot programmiert wird. Leider konnte ich mich wegen einer Änderung des Authorisierungsverfahrens auf die Schnelle nicht im Tool anmelden. Sorry dafür.

Die Diskussion um das Thema ChatBot war trotzdem interessant:

  • Der WienBot kann nach unseren kurzen Tests nur Informationen liefern. Transaktionen oder Services bietet er nicht an. So kann man zwar nach den Parkplatzbedingungen fragen, aber kein Ticket für einen Parkplatz buchen. Das ist zu wenig. Services sind ein Muss für einen erfolgreichen ChatBot.
  • Die Einbindung über Messenger bietet für Unternehmen oder die Verwaltung Vorteile, weil keine Anwendungen für viele Plattformen erstellt werden müssen. Selbst für eine breite Unterstützung von Messengern (Facebook, WhatsApp, Messages, Telegramm, Threama etc.) ist eine zentrale ChatBot Anwendung möglich. Allerdings gibt es Vorbehalte gegen die verbreiteten Plattformen (z.B. Facebook und WhatsApp). Auf der einen Seite ist es leicht Zugang zum ChatBot zu bekommen. Auf der anderen Seite werden alle Personen ausgeschlossen, die diese Plattformen ablehnen.
  • Werden Services über den ChatBot abgewickelt stellt sich direkt die Frage der Authentifizierung. Zwar weiß die Plattform, wer angemeldet ist und kann das nutzen, aber zur Abbuchung von Geldbeträgen sind weitere Informationen nötig. Hier könnten ebenfalls die Vorbehalte gegen die Plattform-Betreiber störend sein.
  • Technologisch können die Dialogsysteme hinter den ChatBots heute nur einfache Sätze verstehen. Damit lassen sich zwar trotzdem komplexe Dialoge implementieren, aber der Einsatz ist irgendwo limitiert.

Die Diskussion war von einer ganzen Reihe von Vorbehalten geprägt, die möglicherweise ihre Ursachen in der Bubble haben, in der die Teilnehmer gemeinsam steckten. Andere Gruppen haben vielleicht weniger Probleme mit den großen Plattform-Betreibern.

Ein erfolgreiches MucGov17

Mir hat das Barcamp gut gefallen. Die Sessions waren zwar nicht so zahlreich, aber durchaus interessant. Ich habe einiges neues gelernt und mehrere Punkte, denen ich noch nachgehen möchte. Das Catering war sehr gut und der Austausch mit den Teilnehmern hat Spaß gemacht. Beim nächsten mal bin ich gerne wieder mit dabei.

Gelesen: „Die Rückkehr der Diener“ von Christoph Bartmann

Ich bin extrem skeptisch, dass Shareconomy oder der Plattform-Kapitalismus etwas positives für uns hervorbringen werden. Gegen Teilen (share) ist natürlich nichts zu sagen und Konzepte, die nachbarschaftliche Hilfe fördern, sind zu begrüßen. Aber Geschäftsmodelle, die auf Ausbeutung und Benachteiligung anderer basieren, will ich nicht tolerieren oder akzeptieren. Dazu gehören die Ansätze von Firmen wie Uber oder Foodera, die nur funktionieren können, wenn die Arbeit für sehr wenig Geld und auf eigenes Risiko erbracht wird.

Die Geschichte der Diener

Mit Blick auf die Problematik der Entwicklung von immer mehr Angeboten in diese Richtung, habe ich das Buch „Die Rückkehr der Diener“ von Christoph Bartmann gelesen. Es trägt den Untertitel „Das neue Bürgertum und sein Personal“. Darin wird zunehmende Lust an Inanspruchnahme von Dienstleistungen beleuchtet. Bartmann, der in New York gelebt und gearbeitet hat, hat diese Entwicklungen dort beobachten können. Deutschland ist nicht New York und daher ist die Verbreitung und Intensität eine andere, aber die Tendenz ist auch hier sichtbar.

Bartmann spannt den Bogen wesentlich weiter und gibt einen Überblick über die Entwicklung von Dienerschaft insgesamt. Sie ist nämlich nicht nur von dem Wunsch abhängig, bedient zu werden. Sie ist ebenso abhängig von der Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl von Dienern und Dienerinnen. So kam es durch die zwei Weltkriege zu einer starken Verknappung von Personal in Europa, die dazu führten, dass die Diener quasi komplett verschwanden. Ein Grund dafür war auch, dass es durch das starke Wirtschaftswachstum genügend andere, attraktivere Arbeit gab.

Neue Diener

Durch die Öffnung des Ostens seit 1989 in Europa und der Zuwanderung von Südamerikanern in den USA stehen seit einigen Jahren jedoch wieder genügend Bereitwillige für die Arbeit zu niedrigem Lohn zur Verfügung. Außerdem erlaubt das Internet eine Verteilung und Organisation der Dienstleistungen auf viele Abnehmer zu günstigeren Preisen. So konnte sich eine neue Ära der Dienerschaft entwickeln. In Deutschland sind dies natürlich Putzfrauen und Pflegekräfte sowie nun Handwerker, Lieferanten und andere Boten.

Dabei kann eine Tätigkeit als Dienstleister auch positive Seiten haben oder zumindest positiv empfunden werden: sei es durch größere Flexibilität oder Unabhängigkeit, eigener Chef sein oder niedrigere Eintrittsschwelle. Gemein ist diesen Tätigkeiten aber, dass sie primär als Zubrot taugen, wobei nicht immer klar ist, worin die Grundsicherung bestehen mag. Bei Putzfrauen kann das der Job des Mannes sein oder beim Ausliefern von Essen die Aufbesserung während des Studiums. Die Gehaltsstrukturen geben jedoch nie genug her, um davon eine Familie ernähren zu können.

Interessant für Europa oder Deutschland wird es sein, die Entwicklungen zu beobachten, wenn die Verfügbarkeit von billigen Arbeitskräften deutlich zurückgeht. Die Bevölkerungsentwicklung in den östlichen Ländern läßt  einen steten Fluss von dort nicht vermuten. Außerdem steigt dort das Gehaltsniveau und somit sinkt die Attraktivität von Arbeit im Ausland. Ob die Einwanderer oder anderer Zuzug dies kompensieren können, ist eher fraglich.

Roboter als Diener

Bleibt die Flucht in noch mehr Technologie, also dem Roboter als dem zukünftigen Diener. Hier klafft jedoch eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Die Fortschritte sind zwar beachtlich, und kognitive Systeme in der Lage, viele Tätigkeiten zu übernehmen, die heute von Menschen gemacht werden. Leider gehören die meisten Tätigkeiten der Dienerschaft nicht dazu. So werden eher Bankberater und Versicherungsvertreter von den neuen Maschinen bedroht als die Putzfrauen. Zwar sind wir zu großen Kompromissen bereit, was die Qualität von Dienstleistungen angeht, aber eine Absenkung auf Roboterniveau ist aktuell nicht vorstellbar. Ein gutes Beispiel dafür sind Staubsaugerroboter. Diese reinigen oberflächlich betrachtet den Boden, aber an ein gründliches Staubsaugen kommen sie nicht heran und ersetzen somit keine Putzfrau.

Es stellt sich die Frage, wie die Zukunft der DienerInnen und Dienstleister aussehen wird, wenn die Verfügbarkeit von Arbeitskräften nicht ausreicht. Vielleicht müssen wir also doch weiter selbst ran, und uns die Hände an den häßlichen Notwendigkeiten schmutzig machen.

Ingesamt ein interessantes Buch mit vielen Informationen zur neuen Servicegesellschaft und ihren Bedingungen. An manchen Stellen ist es leider etwas wiederholend und langatmig. Lesenswert jedoch auf jeden Fall. Gelesen habe ich es mal wieder über die Onleihe.

[ergänzt 31.10.2016] In der Zeit wurde das Buch nun auch besprochen. Dort wird hervorgehoben, dass die Dienstleister in der Shareconomy eben keine Unternehmer, sondern eben moderne Diener sind. Es entlastet die Nutzer dieser Dienstleistungen moralisch, sich die Diener als freie Unternehmer vorzustellen.

Gelesen: „The Circle“ von Dave Eggers

Du wusstest schon immer, dass Facebook und Google böse sind? Dass die Internetkonzerne die Weltherrschaft wollen? Dass unsere Kinder verloren sein werden, weil sie ihr gesamtes Leben preisgeben? Dass die ganze Welt verdummt, weil alle immer nur auf Smartphones starren? Dann ist nicht nur Digitale Demenz das ideale Buch für dich, sondern auch The Circle von Dave Eggers.

Die Bestätigung für die eigenen Befürchtungen sind in The Circle nämlich allzu leicht zu finden. Der Plot des Romanes ist erstmal nicht schlecht. Ein Super-Google-Facebook Konzern will der Nabel der Welt werden, eine Zentrale, um die sich alles dreht (daher Circle), die alles weiß, die alles sammelt. Dabei ist dessen grundlegende Idee nicht falsch. Informationen gemeinsam sammeln und allen zur Verfügung stellen ist durchaus vorteilhaft. Wikipedia ist ein gutes Beispiel dafür.

Der Firma Circle fehlt jedoch jedes Maß. Für das Sammeln und Nutzen von Daten gibt es irgendwann keine Grenzen mehr. Totale Transparenz ist das Ziel. Dabei wird aus „wer nichts Unrechtes tut, hat nichts zu verbergen“ der Schluß gezogen, dass „wer nichts verbergen kann, auch nichts Unrechtes tun wird“. Transparenz als Mittel zur Erschaffung einer besseren Welt.

Leider ist The Circle sehr eindimensional erzählt; nur aus der Perspektive von Mae. Sie beginnt im Circle zu arbeiten und ist total begeistert, obwohl sie ganz unten, in der Kundenbetreuung anfängt. Sie hat aber die Grundidee des Circle, „sharing ist caring“, nicht verinnerlicht und eckt erst mal an, weil sie nichts von sich teilt. Dann aber läßt sie sich vollständig auf diese Idee ein und entwickelt sie ins extreme, grenzenlose weiter. Sie ist aber sehr unreflektiert, zweifelt nicht, hinterfragt nicht. Es gibt quasi keine Außenperspektive. Nur eine Person, ihr Ex-Freund Mercer, wehrt sich, findet aber keine anderen Weg, als vor der Zivilisation zu flüchten.

Das wahre Gesicht der anscheinend von der Idee begeisterten Masse scheint nur kurz durch, als Mercer im analogen Asyl ausfindig gemacht und beschimpft wird. Nur an dieser Stelle wird die Verführung durch den Circle sichtbar. Bestimmt ist Mercer die perfekte Identifikationsfigur für alle, die Bestätigung suchen. Es wird so schlimm werden mit dem Internet, dass nur noch die Flucht in den Wald ohne Empfang, in die analoge Welt, bleiben wird.

Das Buch gibt es ja schon mehr als zwei Jahre und ich bin spät dran mit dem Lesen. Der Hype um The Circle ist vorbei, aber es erstaunt im digitalfeindlichen und auf Datenschutz versessenen Deutschland nicht, dass das Buch hier so populär war. Laut TZ ist es ideal für Analoge Anachronisten. Ich denke, auch durch die übertriebene Darstellung der Arbeit in Internetkonzernen wirkt es so stark auf viele Deutsche. Dabei ist das für uns zwar fremd, aber in amerikanischen Unternehmen und vor allen in Call Centern weit verbreitet. Einiges davon kommt mir ziemlich bekannt vor.

Mit kritischem Abstand ist The Circle durchaus lesenswert. Das Buch „How Google works“ gibt meiner Meinung nach aber mehr Einblick in die Welt des Silicon Valley. Ich bin außerdem der Überzeugung, dass die Gefahr der Überwachung primär nicht von den Internetkonzernen, sondern in Wirklichkeit von den Staaten und ihrem Datenhunger ausgeht.