Ich verstehe Fußball auch nach Fever Pitch von Nick Hornby nicht wirklich, aber zumindest ist mir das bedingungslose Fan-sein mal vor Augen geführt worden. Denn darum geht es in diesem Buch. Bedingungslos einem Verein treu zu sein. In Höhen und vor allem in Tiefen. Dabei wählt der Fan den Verein gar nicht. Vielmehr kommt der Verein über ihn, irgendwie, und dann läßt er nicht mehr los. So beschreibt Nick Hornby es. Er ist Arsenal verfallen. Einem Verein, der nicht sonderlich beliebt ist und für den er in der Schule gehänselt wird. Vielleicht ein bißchen so, wie Fan von den 60ern in München zu sein.
Ich bin Fan vom 1. FC Köln. Aber natürlich nicht wirklich. In Fever Pitch werden Fans verachtet, die nicht mal die Namen der aktuellen Spieler wüßten. Die sind direkt entlarvt und können gar keine echten Fans sein. Ich bin genau so ein Fan vom 1. FC Köln. Bis vor kurzemwar ich noch nie in einem Fußballstadion zu einem Ligaspiel. Für mich war Fußball immer zu sehr mit Gewalt verbunden. Aus meiner Jugend sind mit nur Hooligans und Randale in Erinnerung. Das ist sicher Unsinn, aber ich habe Tennis gespielt und Fußball war weit weg.
Das hat sich mit dem deutschen Sommermärchen ein wenig gewandelt: der Fußball-WM 2006. Ich hatte mir quasi nie ein Spiel angeschaut und nun fand ich mich im Biergarten beim Public Viewing wieder. In einer Smartphone- und Social Media-freien Welt waren unsere Ansprüche damals nicht sehr hoch. Da reichte ein kleiner Fernseher auf einer Brotkiste. Das Ergebnis war für uns nicht so toll, aber ich habe erlebt, dass Fußball schauen Spaß machen kann. Seitdem schaue ich ab und zu mal ein Spiel.
Das sind jedoch nicht die Spiele von denen in Fever Pitch berichtet wird. Nick Hornby schreibt über die Zeit von 1968 bis 1992. Einer Zeit, die frei war von Finanzinteressen und Gentrifizierung. Fever Pitch erschien, als sich Fußball gerade wandelte zu dem was er heute ist. Mit sicheren Stadien, voller, familien- und frauenfreundlich. So zumindest schreibt Nick Hornby es 2012 im Vorwort der Auflage von 2013. Es ist also von einem anderen Fußball die Rede als dem, den wir heute kennen. Einem Fußball mit rauen und wilden Fans, mit Prügeleien auf den Rängen und auf dem Platz, und mit Toten. Die Hillsborough Katastrophe war der schreckliche Höhepunkt dieser Zeit.
Ich habe keine Ahnung von Fußball, kenne kaum Spieler oder Trainer, keine Taktik, weiß gerade mal, was Abseits ist, aber nicht wann ein direkter oder ein indirekter Freistoß erfolgt. Ich kann die Spielzüge meist nur sehen, wenn sie im Fernsehen schön mit Graphiken aufbereitet werden. Das machen die wirklich gut und es hilft, Laien wir mir das Spiel zu erschließen. Darum geht es in Fever Pitch gar nicht. Bei Fußball geht es primär gar nicht um die Taktik und die Spielzüge. Es geht fast ausschließlich um Emotionen. Je mehr Emotion desto besser. Am liebsten natürlich Freude, aber Schmerz wird ebenso gern genommen. Nur bei ausreichend Tiefen können die Höhen auch genossen werden.
Beim FC Bayern kann man das gut erkennen. Bereits kurz nach dem Spiel ist die Allianz Arena fast leer. Siegen ist das Normale. Viele Fans werden vom Siegen nicht mehr berührt, weil es erwartet wird wird. Möglichst schnell raus aus dem Stadion, bevor die Schlange am Parkhaus zu lang wird. Das ist nicht nur für die Liga, sondern auch für die Fans langweilig. Wahrscheinlich tue ich vielen Fans unrecht, aber ich bin Fan (naja) vom 1. FC Köln, weil ich da herkomme. Wenn ich eine emotionale Bindung zu einem Verein habe, dann zum 1. FC Köln (nur sehr locker natürlich). Bei FC Bayern Fans habe ich häufig das Gefühl, sie mögen einfach, Gewinner zu sein, vergessen aber, dass das langweilig ist.
Genug FC Bayern bashing. Nick Hornby erklärt in Fever Pitch was nötig ist, eine Fußballpartie unvergesslich zu machen. Die Ingredienzen dazu sind allzu verständlich. Zuerst mal braucht es Tore, viele Tore. Dann schlechte Schiedsrichterentscheidungen. An denen kann man sich richtig abarbeiten. Natürlich eine laute Kulisse, Fangesänge, Jubel etc. Und dann ein Rückstand, der kurz vor Ende aufgeholt wird. In letzter Minute schließlich der Siegestreffer. Ein klassischer Spannungsbogen eben. Das kann es leider nur selten geben.
Ohne echte Fans kein Fußballerlebnis für niemanden
Fangesang ist übrigens sehr wichtig. In diesem Jahr habe ich einige Stadionführungen gemacht, unter anderem auch im Hamburger Volksparkstadion. Der HSV ist als einziger Verein seit Gründung der Bundesliga mit dabei und nicht abgestiegen. Das zeigen sie auch stolz mit einer Uhr im Stadion. Abstiegsgefährdet sind sie allerdings häufig. Vielleicht macht es das für die Fans aus. Langeweile kommt da bestimmt keine auf und hält sie trotz Frust bei der Stange. Zum Glück, denn Fußballvereine sind kommerzielle Unternehmen, und das wird auch bei den Ticketverkäufen sichtbar. 50% der Erlöse kommen durch die VIP Tickets, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Zuschauer ausmachen. Ohne die echten Fans in der Kurve, die Stimmung machen, singen, jubeln, grölen, leiden, wäre kein VIP im Stadion.
Mit über dreißig ist Nick Hornby von den Stehplätzen auf einen Sitzplatz mit Dauerticket gewechselt. Er ist immer noch genauso emotional verbunden, aber schneller genervt vom Geschiebe. Das Alter eben. Ich hatte etwas Mühe mit Nick Hornbys Liebe zum Detail in Fever Pitch. Ich kenne den englischen Fußball noch viel weniger als den deutschen. Mit den vielen Spielern und Spielergebnissen konnte ich wenig anfangen. Insgesamt bin ich trotzdem froh, das Buch geschenkt bekommen und gelesen zu haben. Der Einblick in das Seelenleben eines echten Fans war es wert.
Was habe ich neues gelernt? Echte Fußballfans leiden viel mehr, als dass sie sich freuen. Eigentlich fragen sie sich bei jedem Spiel, warum sie überhaupt da sind, und kommen doch zum nächsten wieder.