Gelesen: Open von Andre Agassi

Als Jugendlicher habe ich selbst Tennis gespielt. Mein favorisierter Tennisspieler war damals Björn Borg. Bei seinen stundenlangen Kämpfen haben wir im Tennisclub mitgefiebert und die gleichen Sachen getragen wie er. Björn Borg war Stil bestimmend damals. 5 mal hat er hintereinander Wimbledon gewonnen. Viel später erst waren Boris Becker und Steffi Graf dominierend für das Tennisgeschehen in Deutschland. Andre Agassi war zu der Zeit bei mir noch nicht auf dem Radar. Borg ist 10 Jahre älter als ich, Agassi 5 Jahre jünger. Ich habe Agassi als Kind der Bollettieri Akademie wahrgenommen und ihn als verrückten Jugendlichen in Erinnerung.  Das Selbstporträt von Andre Agassi mit dem Titel Open habe ich von meinem Neffen zum Geburtstag bekommen und war ganz gespannt auf dieses Buch.

Profisport ist sicher immer hart, aber das Buch macht das ganz brutal deutlich. Gerade im Tennis, wo der Spieler alleine auf dem Platz steht und nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen sich selbst kämpft, ist der Druck extrem groß. Agassi beschreibt seinen Werdegang, seine Erfolge, seine Niederlagen und welche Entwicklungen er dabei durchlaufen hat. Die Qualen als Kind, mit einem Vater, der unbedingt einen Tennisprofi aus ihm machen wollte, müssen schlimm gewesen sein. Die Spieler sind so jung, wenn sie aufsteigen, und das Rampenlicht, in dem sie stehen, ist gerade in dem Moment extrem grell, in dem sie in einer wichtigen Persönlichkeitsentwicklung stecken.

Andre Agassi hatte wohl große Schwierigkeiten, seine Leistungen und seine Entwicklungen in Einklang zu bringen. Sein wildes Äußeres steht im Gegensatz zu seiner inneren Unsicherheit. Ich habe bis zum Lesen des Buches nicht gewusst, dass seinen Löwenmähne zum Teil ein Toupet war. Er beschreibt, dass er neben dem Kampf mit dem Gegner auch den Kampf mit dem Toupet geführt hat. Es durfte beim Spiel nicht verrutschen, weil Agassi auf keinen Fall öffentlich machen wollte, dass ihm die Haare ausgehen. Erst später hat er sich zu einem Kurzhaarschnitt durchgerungen. Heute durchaus ein modisches Statement, war das in den 90ern anders.

Agassi ist nach ersten Erfolgen abgestürzt. Seine Ehe mit Brooke Shields beschreibt er im Buch als einen Fehler. Selbst Drogenkonsum gehörte dazu. Er sank so tief, dass er wieder von vorne anfangen musste, und kleine Challenger Turniere spielte. Er kam aber zurück und schrieb dann Tennisgeschichte. Er setzte alles daran, Steffi Graf kennen zu lernen und heiratete sie schließlich. Eine Beziehung, die ihm Halt für den Rest seiner Karriere gegeben hat.

Agassis Autobiographie liest sich spannend. Gemeinsam mit Pulitzer Preis Gewinner Moehringer hat Agassi eine interessante Geschichte über seine Tenniskarriere verfasst, die ich gerne empfehle.

Ich habe meinen alten Tennisschläger von damals noch und ihn für den Blog rausgekramt: ein Donnay Björn Borg. Auch Andre Agassi hat einmal für Donnay gespielt. Im Buch wird aber erzählt, dass der Schläger so schlecht war, dass sie seinen vorherigen Schläger (einen Prince) so umlackiert haben, dass er wie ein Donnay aussah. Donnay hat die Wende vom Holz- zum Kunststoffschläger verpasst und ist 1988 Pleite gegangen.

Gelesen: Die gute Erde von Pearl S. Buck

Die gute Erde ist ein Roman über eine bäuerliche Familie im vorrevolutionären China. Pearl S. Buck hat dieses Buch auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen geschrieben. Sie hat lange Zeit in China gelebt und in Nanjing bis 1933 Englische Literatur unterrichtet. Bücher aus dieser Zeit sind für mich häufig sehr schwer zu lesen, weil deren Sprache so schwer zugänglich ist. Nicht so Die gute Erde. Der Roman ist sprachlich leicht verdaulich und vor allem inhaltlich spannend. Er gehört nicht umsonst zur Weltliteratur und Buck hat 1932 für ihn den Pulitzerpreis und 1938 den Literaturnobelpreis bekommen. Bereits 1937 ist der Roman verfilmt worden. Damals noch mit weißen Schauspielern. Zwei Oskars hat der Film bekommen. Weiterlesen

Gelesen: Max Barry – Lexicon

Segmentierung ist ein wichtiges Instrument im Marketing. Kunden werden gruppiert, also in Segmente unterteilt, um sie besser ansprechen zu können. Für jedes Segment werden dann gezielte Kampagnen durchgeführt und durch die genaue Abstimmung der Kampagnen auf die Zielgruppe wird das Ergebnis maximiert. Dabei von Manipulation zu sprechen ist vielleicht übertrieben, aber im Grunde ist es genau das. Eine gezielte Kampagne will die richtigen Knöpfe drücken.

Max Barry greift dies in seinem Buch Lexicon auf. Eine Organisation trainiert ihre Mitglieder darauf, Menschen in Segmente einzuteilen und dann mit Hilfe von Worten zu manipulieren. Daher rührt der Untertitel Worte sind Waffen. Dabei müssen Hunderte von Segmenten erlernt werden und das richtige für eine Person erkannt werden, was schwierig ist.

In der Realität wird Big Data dazu genutzt, die Segmentierung bis hin zur Einzelperson zu treiben. Jeder und jede ist dann sein/ihr eigenes Segment und kann optimal angesprochen, beeinflusst werden. Ein hoher Grad an Individualisierung ist nicht nur bei der Segmentierung das Ziel. Auch bei der Produktion wird bis zum individuellen Einzelstück automatisiert, was dort unter dem Stichwort Losgröße 1 bekannt ist (mehr beispielsweise hier).

Untergang

Im Buch Lexicon wird die Segmentierung nicht so weit getrieben. Big Data spielt interessanterweise auch keine Rolle. Wozu die Manipulationen eigentlich genutzt werden sollen, ob im Guten oder im Bösen, bleibt ebenfalls im Dunklen. Die natürlich folgende totale Manipulation geht dann auch gerade nicht den Weg der maximalen Segmentierung und somit wird der Schwenk vom überspitzten Jetzt zur Babel Geschichte (dem Turmbau) vollzogen.

Barry ließ mich über lange Strecken im Unklaren, worum es eigentlich geht und worauf das alles hinausläuft. Die Grundidee von Lexicon hat mich jedoch gefesselt und über diese Ungewissheit getragen. Ein Buch, das Spaß gemacht hat zu lesen.